„Gegenwartsbewältigung“

Harry Thürks Romanfiguren sind nicht selten bewaffnet aber fast nie Dummköpfe. Dieses Buch ist kein Roman - dennoch fesselnder als mancher Roman - und behandelt eine der gefährlichsten Waffen der Gegenwart: Das Dauerfeuer der Verdummung aus Zeitungsspalten und von Fernsehschirmen. Der Autor hat sich einen 'Zettelkasten' zugelegt, in dem er die verheerendsten Einschläge 'ablegte', um sie besser bewerten zu können. Herausgekommen ist eine scharfe und treffliche Analyse des weltweiten Feldzugs gegen die Hirne der Menschen. Eine schockierende Bilanz! Sie entstand in der Zeit um seinen 75. Geburtstag und weist auch nach, daß der Weimarer Erzähler - Millionenauflagen in der DDR - schreibend jung geblieben ist. Und daß er nichts von seiner unbestechlichen Beobachtungsgabe eingebüßt hat.

Harry Thürk erinnert in »Gegenwartsbewältigung« an die Verwendung von Explosivstoffen zur Beförderung von US-Interessen im Laufe der letzten 150 Jahre. Er spannt den Bogen vom Bürgerkrieg über die Explosion des US-Kriegsschiffes »Maine« 1898 im Hafen von Havanna bis zum 11. September 2001. Das Ereignis von 1898 trug nicht nur für das Imperium des US-Zeitungskönigs William Randolph Hearst und des Redakteurs Joseph Pulitzer reiche Früchte, sondern eröffnete den USA auch die Möglichkeit, sich auf Kuba nur noch von eigenen Marionetten vertreten zu lassen. Im Zuge einer humanitären Intervention verpaßten sie der Insel eine Verfassung, die lediglich Schwarzen und Frauen das Wahlrecht verweigerte. Thürk befaßt sich in den Texten aus seinem »Zettelkasten« mit der medialen Verblödungsmaschinerie, die bei derartigen zivilisatorischen Fortschritten in Gang gesetzt wird. Das Fazit lautet: Die Verdummungsintensität, die mit dem Abwerfen von US-Bomben einhergeht, blieb ungefähr gleich.

"Eine hervorragende Sammlung von Kommentaren, Gedanken und Ansichten zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation, die absolut treffend den Nerv der Zeit kitzelt und vor allem das Phänomen der "Medien-Verdummung" mit einem scharfen Auge fürs Wesentliche untersucht. Auf unterhaltsame Art liefert Thürk Episoden, geschichtliche Abrisse, Anekdoten, Einschätzungen brisanter Themen und vieles mehr - eine Fülle, die man in diesem schmalen Buch nie erwarten würde. Absolutes Muss für jeden, der nicht mit der sensationsgeilen Masse konform gehen will.", Hanjo Hamann (Autor dieser Seite), 27.12.2002

Die Unterteilung in Kapitel ist hier schwierig, In 34 "Zetteln" präsentiert der Autor Gedanken, Anregungen, Kommentare, Kritiken und Ansichten zur Gesellschaft des Heute - einer Gesellschaft, die sich von geschickten PR-Managern manipulieren lässt - einer Gesellschaft, die sich von einigen wenigen raffinierten Köpfen an der Nase herumführen lässt - einer Gesellschaft, die den Fernsehschirm und seine ideologisierende Meinungsmache den Büchern und selbstständigem Denken vorzieht. Mit kurzen Ausflügen in die Geschichte (beispielsweise nach 1898, in den USA-Spanien-Krieg) und geschickt plazierten Zitaten (u.a. von Hesse) lockert der Autor sein "Poträt" auf und sorgt dafür, dass der Unterhaltungswert des Buches nicht durch das Schließen des Buchdeckels erlischt, sondern das Buch entschieden nachwirkt und einen nachdenklichen Leser zurücklässt, der möglicherweise das erste Mal in seinem Leben klar die Verhältnisse in seiner Umgebung sieht...