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Primärliteratur

   QUELLENTEXT
Titel Thürk an Verleger
Autor Harry Thürk
Herausgeber Klaus Huhn
Publikation Irak-Feldpost
Verlag, Ort, Jahr Spotless-Verlag Berlin 2003
Seitenangabe S. 15 f.
   
Textart Brief, Volltext
Anlass, Thema Sammlung von Protestbriefen deutscher (US-Irak-)Kriegsgegner
THÜRK an VERLEGER
      Der Schriftsteller Harry Thürk erfuhr vom Projekt dieses Buches und schrieb einen Brief an den Herausgeber.

      Lieber Klaus,
      Seit dem Beginn des Irakkrieges druckt meine Lokalzeitung unter die Frontberichte der „eingebetteten“ und „nicht eingebetteten“ Korrespondenten, die immer mehr den PK-Berichten aus unseliger Zeit ähneln, stets folgenden Vermerk:
      Der Wahrheitsgehalt der Informationen aus den Kriegsregionen ist nicht zu überprüfen.
      Ob absichtsvoll oder nicht, eine vernichtendere Abwertung für die Gerüchterstattung, die von den Schreibern und Filmern da im Rahmen politisch-korrekter Lügenpropaganda oder auch nur aus Furcht vor dem blauen Brief betrieben wird, ist kaum denkbar. Angesichts der biografischen Daten, die von der Massenpresse über den „Erzfeind Amerika“ gleich noch mitgeliefert werden, kommt es einem vor, als hätten die Verfasser beim „Stürmer“ volontiert. Der „Erzfeind“ ist nämlich so eine „Bestie in Menschengestalt“, weil seine Mutter versucht hat, ihn abzutreiben, und zwar mit einer Tür, die sie „...immer gegen ihren Bauch schlug...“ Darauf muß man erst mal kommen. Da hätte doch der alte Pulitzer seine helle Freude dran. Oder nicht?
      Bevor das große Bombenschmeißen im Namen von Freiheit und Menschenrechten begann, hörte ich den Präsidenten und obersten Kriegsherren der Angreifer sagen: „...wenn man uns denn diesen Krieg aufzwingt, werden wir ihn eben führen. Und gewinnen...“ Das erinnerte mich an das Jahr 1941. Da musste ich als Schüler einen Hausaufsatz schreiben, unter dem vorgegebenen Titel: „Warum Großdeutschland den ihm aufgezwungenen Krieg gewinnen wird!“
      Und nun, eine Woche nach Beginn der Aggression behauptet der gleiche Herr, den Martin Walser als „zweitklassigen Cowboy“ bezeichnet, er werde trotz irakischen Widerstands seinen Krieg so lange fortführen, wie er braucht, um zu siegen, Um auf meinen damaligen Schulaufsatz zurückzukommen – zu jener Zeit hieß das: „Am Ende steht der deutsche Sieg!“
      Ich frage: Sind solche Vergleiche überhaupt noch vermeidbar? Fordert dieses erbärmliche Lügengewebe der Propaganda, gemischt mit bigottem Pseudo-Patriotismus sie nicht geradezu heraus? Wie dumm muß man sein, um sich davon einfangen zu lassen? Müßte man nicht selbst für Bohnenstroh noch intelligenter lügen?
      Fragen sich vermutlich viele.
      Dein
      Harry Thürk