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„Sommer der toten Träume“ im Tygodnik Prudnicki

Thürks Roman "Sommer der toten Träume" befasst sich intensiv mit seiner Heimatstadt Neustadt (Oberschlesien), die heute als Prudnik zu Polen gehört. Verständlich, dass sein Roman im heutigen Polen auf großes Interesse stößt. So entschloss sich das Neustädter Wochenblatt (Tygodnik Prudnicki, kurz TP), eine Übersetzung des Romanes in Fortsetzungen – zwischen Januar 2002 und Juni 2003 – zu veröffentlichen. Dies regte eine literarische Kontroverse an, in deren Folge nicht nur in der TP zahlreiche Artikel über "Lato Umarłych Snów" (so der polnische Titel des Werkes) erschienen.
Hier folgt eine Auslese in chronologischer Reihenfolge.



   QUELLENTEXT
Titel Sommer der toten Träume
Autor Andrzej Dereń
Publikation Tygodnik Prudnicki, 18.06.2003 (14. Jg. Nr. 25)
Übersetzung a. d. Polnischen, Jan Dolny (Nachbearbeitung Hanjo Hamann)
Quelle Jan Dolny, Hamburg
   
Textart Zeitungsartikel, Volltext
Textstruktur 5 Spalten, 10 Punkt ohne Serifen, Blocksatz mit Vorschub, 2 s/w-Bilder.
SOMMER DER TOTEN TRÄUME


   Unser Wochenblatt hat die Publikation des Romanes von Harry Thürk "Lato umarłych snów" (i. Orig. Sommer der toten Träume) beendet, eines in Hinblick auf die Thematik tragischen und uns zugleich wegen des Ortes der Handlung nahestehenden Buches.
   Nicht alle Leser des "TP" haben sich mit dem Lesen dieser Geschichte beschäftigt, andere wiederum - die diese Publikation für ein Dokument hielten - haben sich darüber geärgert, dass sie Dinge gelesen haben, die als literarische Notwendigkeit zwar die Erzählung attraktiver machten, dabei jedoch nicht mit den historischen Fakten übereinstimmten.
   Als Redaktion hoffen wir jedoch, dass die Botschaft des Fortsetzungsromans unsere Leser entsprechend der Intention des Autors erreicht hat. Jeder Leser wird seine persönlichen Schlüsse darüber ziehen, was der Autor selbst schreibt, allerdings sei es uns erlaubt, unsere eigene Beurteilung darzustellen. Der Roman führt uns die Sinnlosigkeit des Krieges, der in hohen politischen Kreisen über die Köpfe der einfachen Leute hinweg betrieben wird, vor. Kein Zufall in dieser Erzählung ist die Vielvölkerzugehörigkeit ihrer Helden. Da ist der Schlesier - Latta, der sich als Deutschen betrachtet, und sein Landsmann - Walentek, der seine Volkszugehörigkeit der Situation anpasst, in der er sich gerade befindet - gerade noch ist er deutscher Soldat, nur um wenig später in der polnischen Armee zu dienen. Da ist der russische Offizier - Wiktor, der Irene Kostka vor der Gewalt seiner Kameraden rettet. Da ist sogar Alfred Brinsa - ein Deutscher mit jüdischem Blut. Der junge Deutsche rettet die Zigeunerin Alina, die Auschwitz überlebte, in der Nähe der Eisenbahngleise bei Bad Wildgrund, indem er sie aus einem Minenfeld herausholt. In einer anderen Episode treffen wir sogar einen Holländer, der von den Polen zum Arbeiten gezwungen wird. Und natürlich gibt es eine Menge unserer Landsleute, die einen schlechter, die anderen besser, wie ja auch im Leben.

Der Autor des Romans im Jahr 1950. Sein ganzes Leben lang blieben der Apparat und die Feder sein Arbeitszeug.

   Ohne uns früher jemals in die Umstände der Übernahme Schlesiens im Jahr 1945 durch das sowjetische Militär und später durch die Polen vertieft zu haben, werden wir mit vielen damaligen Ereignissen konfrontiert, die in der populären Nachkriegsgeschichte nie näher beleuchtet wurden, und erleben dabei einige Überraschungen. Viele Leser des "Tygodnik Prudnicki" - vor allem die Jüngeren - erfuhren zum ersten Mal, dass es in Neustadt einen geschlossenen Stadtteil für Deutsche gab - das von der polnischen Miliz und dem Militär bewachte Ghetto. Die Geschichte erinnert uns an die Tragödie, als sich in die noch von Deutschen bewohnten Gebiete Umsiedler aus dem Osten Polens einquartierten, z.B. in Leuber. Das war eine der Hauptursachen für die Errichtung des Ghettos. Der Roman stellt die Atmosphäre der damaligen Sommermonate des Jahres 1945 sehr offen dar. Das noch instabile Leben in der Stadt, die noch nicht funktionierende Organisation der Stadtverwaltung und der Ordnungskräfte bewirken, dass es häufig zu Übergriffen, Gewalttätigkeiten und Diebstählen kommt. Hier gibt es keine guten Polen und schlechte Deutsche. Das Böse kennt keine Volkszugehörigkeit und findet sich häufig auf beiden Seiten wieder. In diesem Buch verspürt man den großen Schmerz vieler Menschen, die sich nicht mit der hohenPolitik identifizieren und deshalb nicht verstehen können, warum sie diese Schikanen erdulden müssen, nur weil sie Deutsche sind. Der Autor weiß jedoch, warum es dazu gekommen ist, er weiß, dass sich die Polen abreagierten für die Zeit der Besatzung und die von Deutschen in ihrem Heimatland begangenen Gräuel. Die schreckliche Kollektivverantwortung muss nun von der schwächsten Minderheit getragen werden. Das unvorbereitete Ghetto wird zum Ernteplatz des Todes, Krankheiten breiten sich aus, es wird gehungert. Diese Schreckensbilder Neustadts decken sich mit den Berichten von Antoni Blaszczynski, des ersten Nachkriegsbürgermeisters Prudniks, dessen Stellung damals schon etwas außergewöhnlich war, denn da er schon vor dem Krieg in der Stadt gewohnt hatte, nahmen die Deutschen an, er werde auf irgendeine Weise als ihr Interessenvertreter wirken. Aus seinen Berichten geht hervor, dass dies bis zu einem gewissen Punkt auch zutraf. Sehr zum Nachdenken gibt die mehrmals aufgezeigte Abneigung zwischen Polen und Russen Anlass, die die Regierung der VR Polen aus bekannten Gründen natürlich lange versuchte, uns vorzuenthalten. Die sich gegenseitig mit der Waffe in der Hand bedrohenden Polen und Russen in Thürks Roman stehen im Widerspruch zur polnisch-russischen Waffenbrüderschaft, trotz solch sympathisierender Filme wie "Vier Panzerfahrer und ein Hund" [damals ein sehr beliebter Fernsehfilm, J.D.]. Der Roman macht uns beswusst, in welchen Umständen und von wem die vornehmsten deutschen Villen in den südlichen Teilen Prudniks übernommen wurden. Im Prudnik des Jahres 1945 zählten vor allem Stärke, Cleverness und gute Beziehungen (hat sich bis heute etwas geändert?). Zum Schluss bleibt uns nur die Hoffnung, dass es möglich sein wird, den Roman in der polnischsprachigen Buchversion erscheinen zu lassen.

Andrzej Dereń
 

Der "Tygodnik Prudnicki" dankt allen Personen und Institutionen, die bei der Realisierung dieses Projektes in unserer Zeitung mitgewirkt haben, sehr herzlich.
   - dem Autor Harry Thürk – für die Ermöglichung des Abdruckes und die Zusammenarbeit bei der Übersetzung. Vor allem jedoch danken wir ihm dafür, dass er einen Roman über unsere Stadt schrieb, die, so scheint es, durchaus der Feder eines Meisters würdig ist.
   - dem Mitteldeutschen Verlag GmbH in Halle (Deutschland) für die Genehmigung zum Vorabdruck des Buches
   - Anna Myszynska – für die Ausdauer beim Übersetzen des Buches
   - Jan Dolny aus Hamburg – für die Vermittlung und den Kontakt zum Autor sowie die geistige Unterstützung unserer Initiative
   - Urszula Rzepiela – Direktorin des Heimatmuseums in Neustadt, die durch die Ausstellung über Thürk sehr zur Popularisierung des im "Tygodnik Prudnicki" veröffentlichten Romans beigetragen hat

allen anderen, die wir nicht erwähnen, vor allem aber allen Lesern, die nicht nur positive, sondern auch kritische Anmerkungen zum Thema des Romans an uns richteten.

Redaktion "Tygodnik Prudnicki"

Harry Thürk im Jahr 1950. Trotz seiner in der DDR erzielten Erfolge erlangte der Schriftsteller in Polen keine Popularität. Seine schlesische Herkunft hatte keine Bedeutung, im Gegenteil schadete sie ihm sogar. Die Bewohner von Biała und Prudnik erfuhren erst in den 90er Jahren, dass sie einen so bekannten und geschätzten Schriftsteller "haben".

Harry Thürk wurde am 8. März 1927 in Biała geboren. Beendete die Real- und Handelsschule in Prudnik (jetzt die Grundschule Nr. 2). Arbeitete anschließend bei der Deutschen Reichsbahn. Im Jahr 1944 zur Armee eingezogen, kehrt er ein Jahr später nach Beendigung der Kriegshandlungen nach Prudnik zurück. Wird ins Ghetto eingewiesen, aus dem er nach Ostdeutschland flüchtet. Trifft Tadeusz Borowski, dem er die Geschichte seines Lebens im Nachkriegs-Prudnik erzählt. In Weimar wird er Reporter. Arbeitet im Ausland - in Ostasien (u.a. Korea, China, Vietnam, Laos, Kambodscha). Ergebnis seiner Reisen sind zahlreiche Bücher über diese Region.
Er schrieb Drehbücher für Spielfilme, hauptsächlich Kriminalfilme. Wurde mit zwei Nationalpreisen geehrt, u.a. für "Sommer der toten Träume". Seine Bücher wurden in folgenden Sprachen gedruckt: deutsch, polnisch, tschechisch, slowakisch, ungarisch, litauisch, vietnamesisch und spanisch.


   QUELLENTEXT
Titel Liebe Freunde in der Redaktion des "Tygodnik Prudnicki"
Autor Harry Thürk
Publikation Tygodnik Prudnicki, 18.06.2003 (14. Jg. Nr. 25)
Übersetzung a. d. Polnischen, Jan Dolny
Quelle Jan Dolny, Hamburg
   
Textart Leserbrief, Volltext
Textstruktur 1 Spalte, 10 Punkt ohne Serifen, Blocksatz mit Vorschub, 1 s/w-Bild.
LIEBE FREUNDE IN DER REDAKTION DES "TYGODNIK PRUDNICKI"

   Die Publikation meines - von Frau Myszynska so liebevoll übersetzten - Romans "Sommer der toten Träume" ist nun beendet worden. Ich nutze die Gelegenheit, mich für Ihre Mühe und Arbeit zu bedanken. Ich danke Ihnen vor allem für den Mut, den Sie aufbrachten, den heutigen Bürgern unserer Stadt die sehr problematische deutsch-polnische Vergangenheit in der komplizierten Zeit offen und ehrlich darzustellen. Ich bin der Meinung, dass Ihr Mut wie in einem Spiegel die Veränderungen in den Beziehungen zwischen unseren beiden Völkern im letzten halben Jahrhundert widerspiegelt.
   Es erfüllt mich mit großer Freude, wenn ich erfahre, dass meine polnischen Leser die Intention meines Romans verstanden haben. Die Intention ist die, dass es keinen Sinn macht, wenn die beiden Völker die erlittenen Leiden gegeneinander aufrechnen. Die Vergangenheit darf nicht vergessen werden, doch die Zukunft zwischen Polen und Deutschen muss gestützt werden und die Freundschaft zu stärken soll unsere vorrangige Aufgabe sein.
   Im vergangenen Jahr haben mir die Mitglieder des Clubs der jungen Poeten in Prudnik einen Gedichtband mit ihren Gedichten geschenkt, welche Herr Dolny für meinen Gebrauch übersetzt hat. Darin habe ich dieses Gedicht von Rafal Deszczka gefunden.

Prudnik

Hier wärmte mich die Sonne
Meine Seele ging auf
Mein Herz barst
Mir wuchsen Flügel
Geblieben ist Erinnerung

   Diese Zeilen haben mich sehr berührt. Genauso könnte ich die Gefühle für meine Vaterstadt - aus der ich in die Welt ging - beschreiben. In solchen Augenblicken ist es belanglos, zu welcher Volkszugehörigkeit der Mensch mit diesen Gefühlen sich selbst zurechnet.
   In dieser Zeit, da die Welt wieder tragische Augenblicke durchlebt, politische Lügen, Anfeindungen und militärische Erpressung triumphieren und Bombenangriffe auf Wohngebiete als Mittel für die Aufrechterhaltung des Friedens angesehen werden, wecken diese Zeilen in mir die Hoffnung, dass unser Kontinent Europa in der Lage sein wird, die uns noch trennenden Grenzen, ethnische Streitigkeiten, Kriege und Massenmorde hinter sich zu lassen. Als Deutscher bin ich glücklich darüber, dass ich diese Zeit noch erleben darf. Im Rahmen meiner Möglichkeiten habe ich mich bemüht, meinen Teil dazu beizutragen.
   Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass Sie meine Gedanken und meine Zeilen Ihren Lesern zugänglich gemacht haben. Den Lesern möchte ich dafür danken, dass sie meine Gefühle und Gedanken verstehen wollten. Allen in meiner Heimatstadt lebenden Polen und Deutschen wünsche ich eine Zukunft in Frieden.




Ich grüße Sie herzlich
Harry Thürk

   QUELLENTEXT
Titel Mit der Bitte um mehr
Publikation Tygodnik Prudnicki, 25.06.2003 (14. Jg. Nr. 26)
Übersetzung a. d. Polnischen, Jan Dolny
Quelle Jan Dolny, Hamburg
   
Textart Leserbrief, Volltext
Textstruktur 1 Spalte, 10 Punkt ohne Serifen, Blocksatz mit Vorschub, kursiv.
MIT DER BITTE UM MEHR

   Sie haben gerade den Abdruck des Romans von Harry Thürk „Sommer der toten Träume“ beendet. Diese - selbstverständlich - etwas kontroverse Geschichte, hat mich anfangs sogar sehr geärgert. Ich dachte, die Redaktion nehme sich dieses Themas im Auftrage der vertriebenen Deutschen an, die doch den Krieg begonnen haben und Hitler auf demokratische Weise zu ihrem Führer wählten. Auch in Neustadt O/S. Im Verlauf des Lesens jedoch bin ich in die Geschichte immer mehr einbezogen worden. Der Blick auf die Geschichte - von der anderen Seite und mit den Augen einfacher Leute - erwies sich als sehr lehrreich und überaus interessant. Auch was die historische Betrachtung anbelangt! (...) In diesem Zusammenhang meine Frage. Da - wie sie schreiben - Harry Thürk der Autor vieler Bücher ist, können wir die Hoffnung hegen, öhnliche Publikationen von Harry Thürk auf den Seiten der „Tygodnik Prudnicka“ zu lesen? Ich bitte sehr darum.
Eine „bekehrte“ Lehrerin

   QUELLENTEXT
Titel Dritte Ausgabe des Romans über Neustadt
Autor Andrzej Dereń
Publikation Tygodnik Prudnicki, 14.07.2004 (15. Jg. Nr. 28)
Übersetzung a. d. Polnischen, Jan Dolny (Nachbearbeitung Hanjo Hamann)
Quelle Jan Dolny, Hamburg
   
Textart Zeitungsartikel, Volltext
Textstruktur 1 Spalte, 10 Punkt ohne Serifen, Blocksatz mit Vorschub, 1 s/w-Bild.
Dritte Ausgabe des Romans über Neustadt
DEUTSCHLAND. Soeben erschien die bereits dritte deutschsprachige Ausgabe des Romans von Harry Thürk Sommer der toten Träume (Lato umarłych snów). Leser des "Tygodnik Prudnicki" hatten bereits die Gelegenheit, den Text des erschütternden Buches zu lesen, das die Schicksale junger Deutscher beschreibt, die nach dem Kriegsende in ihre Heimat zurückkehrten. Der Roman erzählt über das Leben im Ghetto in der Fischstraße, und beschreibt die damals herrschenden Verhältnisse zwischen Deutschen und Polen sowie den russischen Soldaten. Obwohl Roman und literarische Fiktion, spielen Ereignisse mit realem historischem Hintergrund eine entscheidende Rolle.
   Es ist eines von wenigen (vielleicht das einzige) gegenwärtig im Handel erhältlichen Bücher, deren Handlung sich fast in Gänze im Neustädter Kreis abspielt.
   Jan Dolny aus Hamburg brachte 150 Exemplare der soeben erschienenen dritten Auflage nach Polen. Ein beträchtlicher Teil dieser Bücher wird die Bibliotheken der deutschen Minderheiten in Prudnik und Biała bereichern. AD

   QUELLENTEXT
Titel Er kehrte in seine Heimat zurück
Untertitel Ausstellung über Leben und Werk von Harry Thürk
Autor Anna Myszynska
Publikation Schlesisches Wochenblatt ("Verschiedenes" S. 12) , 25.-31.01.2002
nachgedruckt in: Neustädter Heimatbrief, H.8 2002 (53.Jg.)
Quelle Harry Thürk, Weimar
   
Textart Zeitungsartikel, Volltext
Textstruktur 5 Spalten, 9 Punkt mit Serifen, Blocksatz mit Vorschub, 1 s/w-Bild.
   

Anm. d. Red.: Der folgende Artikel wurde zweisprachig im Schlesischen Wochenblatt veröffentlicht. Der polnische Text (mit dem selben Inhalt wie der deutsche unten) wurde hier jedoch [ausgelassen].
Ein besseres Bild der Vitrine im Stadtmuseum Prudnik findet sich in der Bildergalerie des HTF (#55).

D
er in Weimar lebende 75-jährige deutsche Schriftsteller Harry Thürk hat seine Bücher und Andenken von journalistisch-schriftstellerischen Reisen dem Museum in Neustadt geschenkt. Der Schriftsteller wurde in Zülz geboren. Seine Kindheit verbrachte er bis 1945 in Neustadt. Wie kam es zu Stande, dass der in seiner Heimatstadt wenig bekannte Schriftsteller dort mit einer Ausstellung geehrt wurde?
   Sein schriftstellerisches Gesamtwerk besteht aus 30 Büchern mit einer Auflage von mehreren Millionen. Darunter ist auch ein Roman über Neustadt mit dem Titel „Sommer der toten Träurne“. Der Verfasser beschreibt in ihm das Schicksal von vier jungen Deutschen in Neustadt im Jahre 1945, als die Stadt bereits polnisch war. Es ist eine wahre Geschichte voller Spannung und Schrecken. Thürk brauchte nicht zu phantasieren. Er hatte doch selber nach dem Krieg in Neustadt gelebt, und alles, was er beschreibt, hat sich tatsächlich ereignet. Das Buch wurde 1990 auf den Markt gebracht. Harry Thürk schenkte einige Dutzend Exemplare seines Romans den Bibliotheken der deutschen Minderheit in Zülz und Neustadt. Auch andere seiner Bücher erhielten diese kostenlos. Wegen einer bis heute anhaltenden Krankheit konnte er sie nicht persönlich dorthin bringen. Den Transport übernahm sein Freund Kurt Rippich.
   An dieser Stelle kann ich mir eine persönliche Bemerkung nicht verkneifen. Nach der Lektüre des „Sommers der toten Träume“ beschloss ich den Autor aufzusuchen. 1995 kam es zu einer langen Unterhaltung zwischen uns, während der ich in ihm einen ungewöhnlichen Mann kennen lernte, für den die Verständigung zwischen Menschen, besonders zwischen Polen und Deutschen, eines seiner wichtigsten Lebensziele darstellt. Damals beschioss ich, den Schriftsteller den Einwohnern unserer Region näher zu bringen und ein Interview mit ihm mit seiner Zustimmung in der Presse zu veröffentlichen. Fragmente des Gesprächs druckte auch das „Schlesische Wochenblatt“ ab. Versuche, Interesse an einer Übersetzung des Romans ins Polnische zu wecken, scheiterten zunächst. Harry Thürk blieb weitere fünf Jahre in seinem Heimatkreis nahezu unbekannt. Schließlich interessierte sich die Redaktion des „Tygodnik Prudnicki“ für sein Buch. In meiner polnischen Übersetzung und der Bearbeitung von Andrzej Dereń, Redakteur dieser Wochenzeitung, wird der Roman seit Januar 2001 dort kontinuierlich abgedruckt. Dadurch gewannen die heutigen Neustädter die ungewöhnliche Möglichkeit, durch einen Roman die tragischen Ereignisse der Nachkriegszeit kennen zu lernen.
   Harry Thürk war über die Veröffentlichung seines Romans in polnischer Sprache sehr erfreut. Vor kurzem sagte er mir, er hätte immer die Hoffnung gehegt, dass der heimatbezogene Teil seines Werkes zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den ehemaligen und jetzigen Einwohnern Oberschlesiens beitragen werde. „Es wäre gut, wenn aus diesem Buch die Lehre gezogen wird, dass nur durch die einzelnen Menschen eine Versöhnung von Polen und Deutschen gelingt“, schrieb er der Redaktion des „Tygodnik Prudnicki“.

Das Museum in Neustadt – eine Ausstellung über Harry Thürk
Foto: E. Myszynska
   Dank der veröffentlichten Übersetzung trat der ehemalige Neustädter Jan Dolny, der heute in Hamburg lebt, mit dem Autor in Kontakt. Sie freundeten sich an. Jan Dolny brachte im Oktober des vergangenen Jahres die Ausstellungsstücke des Schriftstellers zum Museum Neustadt. Die Exposition enthält unter anderem einen Fotoapparat „Praktica“ aus dem Jahre 1946, den der Schriftsteller auf der Suche nach Material für seine Reportagen benutzte, 15 Bücher von ihm und viele interessante großformatige Schwarzweiß-Fotografien mit der Beschreibung von Orten und Ereignissen aus der Zeit seiner siebenjährigen Arbeit als Kriegsberichterstatter im fernen Asien sowie weitere Bilder. Die Ausstellung nimmt zwei große Glassschauschränke entlang der gesamten Zimmerwand ein. Diese ergänzen Bilder von Neustadt aus der Zeit vor dem Krieg und in den 1940er Jahren. Viele Bauten auf diesen Bildern gibt es nicht mehr. Sie sind aber ebenso Teil der Geschichte dieser Stadt wie die von Harry Thürk beschriebenen Ereignisse. Die Ausstellung wird von den Neustädtern gerne besucht, besonders von Schülern. Zu sehen ist sie bis Ende März. In dieser Zeit werden auch Vorträge und Lesungen zum Leben und Werk des Schriftstellers gehalten.
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