SOMMER DER TOTEN TRÄUME
Unser Wochenblatt hat die Publikation
des Romanes von Harry Thürk "Lato umarłych
snów" (i. Orig. Sommer der toten Träume)
beendet, eines in Hinblick auf die Thematik tragischen und
uns zugleich wegen des Ortes der Handlung nahestehenden
Buches.
Nicht alle Leser des "TP" haben
sich mit dem Lesen dieser Geschichte beschäftigt, andere
wiederum - die diese Publikation für ein Dokument hielten
- haben sich darüber geärgert, dass sie Dinge
gelesen haben, die als literarische Notwendigkeit zwar die
Erzählung attraktiver machten, dabei jedoch nicht mit
den historischen Fakten übereinstimmten.
Als Redaktion hoffen wir jedoch, dass
die Botschaft des Fortsetzungsromans unsere Leser entsprechend
der Intention des Autors erreicht hat. Jeder Leser wird
seine persönlichen Schlüsse darüber ziehen,
was der Autor selbst schreibt, allerdings sei es uns erlaubt,
unsere eigene Beurteilung darzustellen. Der Roman führt
uns die Sinnlosigkeit des Krieges, der in hohen politischen
Kreisen über die Köpfe der einfachen Leute hinweg
betrieben wird, vor. Kein Zufall in dieser Erzählung
ist die Vielvölkerzugehörigkeit ihrer Helden.
Da ist der Schlesier - Latta, der sich als Deutschen betrachtet,
und sein Landsmann - Walentek, der seine Volkszugehörigkeit
der Situation anpasst, in der er sich gerade befindet -
gerade noch ist er deutscher Soldat, nur um wenig später
in der polnischen Armee zu dienen. Da ist der russische
Offizier - Wiktor, der Irene Kostka vor der Gewalt seiner
Kameraden rettet. Da ist sogar Alfred Brinsa - ein Deutscher
mit jüdischem Blut. Der junge Deutsche rettet die Zigeunerin
Alina, die Auschwitz überlebte, in der Nähe der
Eisenbahngleise bei Bad Wildgrund, indem er sie aus einem
Minenfeld herausholt. In einer anderen Episode treffen wir
sogar einen Holländer, der von den Polen zum Arbeiten
gezwungen wird. Und natürlich gibt es eine Menge unserer
Landsleute, die einen schlechter, die anderen besser, wie
ja auch im Leben.
Der Autor des Romans im Jahr 1950. Sein ganzes
Leben lang blieben der Apparat und die Feder sein
Arbeitszeug. |
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Ohne uns früher
jemals in die Umstände der Übernahme Schlesiens
im Jahr 1945 durch das sowjetische Militär und später
durch die Polen vertieft zu haben, werden wir mit vielen
damaligen Ereignissen konfrontiert, die in der populären
Nachkriegsgeschichte nie näher beleuchtet wurden, und
erleben dabei einige Überraschungen. Viele Leser des
"Tygodnik Prudnicki" - vor allem die Jüngeren
- erfuhren zum ersten Mal, dass es in Neustadt einen geschlossenen
Stadtteil für Deutsche gab - das von der polnischen
Miliz und dem Militär bewachte Ghetto. Die Geschichte
erinnert uns an die Tragödie, als sich in die noch
von Deutschen bewohnten Gebiete Umsiedler aus dem Osten
Polens einquartierten, z.B. in Leuber. Das war eine der
Hauptursachen für die Errichtung des Ghettos. Der Roman
stellt die Atmosphäre der damaligen Sommermonate des
Jahres 1945 sehr offen dar. Das noch instabile Leben in
der Stadt, die noch nicht funktionierende Organisation der
Stadtverwaltung und der Ordnungskräfte bewirken, dass
es häufig zu Übergriffen, Gewalttätigkeiten
und Diebstählen kommt. Hier gibt es keine guten Polen
und schlechte Deutsche. Das Böse kennt keine Volkszugehörigkeit
und findet sich häufig auf beiden Seiten wieder. In
diesem Buch verspürt man den großen Schmerz vieler
Menschen, die sich nicht mit der hohenPolitik identifizieren
und deshalb nicht verstehen können, warum sie diese
Schikanen erdulden müssen, nur weil sie Deutsche sind.
Der Autor weiß jedoch, warum es dazu gekommen ist,
er weiß, dass sich die Polen abreagierten für
die Zeit der Besatzung und die von Deutschen in ihrem Heimatland
begangenen Gräuel. Die schreckliche Kollektivverantwortung
muss nun von der schwächsten Minderheit getragen werden.
Das unvorbereitete Ghetto wird zum Ernteplatz des Todes,
Krankheiten breiten sich aus, es wird gehungert. Diese Schreckensbilder
Neustadts decken sich mit den Berichten von Antoni Blaszczynski,
des ersten Nachkriegsbürgermeisters Prudniks, dessen
Stellung damals schon etwas außergewöhnlich war,
denn da er schon vor dem Krieg in der Stadt gewohnt hatte,
nahmen die Deutschen an, er werde auf irgendeine Weise als
ihr Interessenvertreter wirken. Aus seinen Berichten geht
hervor, dass dies bis zu einem gewissen Punkt auch zutraf.
Sehr zum Nachdenken gibt die mehrmals aufgezeigte Abneigung
zwischen Polen und Russen Anlass, die die Regierung der
VR Polen aus bekannten Gründen natürlich lange
versuchte, uns vorzuenthalten. Die sich gegenseitig mit
der Waffe in der Hand bedrohenden Polen und Russen in Thürks
Roman stehen im Widerspruch zur polnisch-russischen Waffenbrüderschaft,
trotz solch sympathisierender Filme wie "Vier Panzerfahrer
und ein Hund" [damals ein sehr beliebter Fernsehfilm,
J.D.]. Der Roman macht uns beswusst, in welchen Umständen
und von wem die vornehmsten deutschen Villen in den südlichen
Teilen Prudniks übernommen wurden. Im Prudnik des Jahres
1945 zählten vor allem Stärke, Cleverness und
gute Beziehungen (hat sich bis heute etwas geändert?).
Zum Schluss bleibt uns nur die Hoffnung, dass es möglich
sein wird, den Roman in der polnischsprachigen Buchversion
erscheinen zu lassen.
Andrzej Dereń
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