Klappentext
Buchrücken 1. Auflage 1993:
Das waren die langen Sommerabende am Fluß, in der Stadt, die einst idyllisch und ansehnlich gewesen war. Nun hatte der Krieg sie gezeichnet. Fremde richteten sich ein.
Hirschke nahm die Zigarette, die Walentek anbot. Der Pole war ein Freund. Es hatte hier in Oberschlesien immer Freunde gegeben, die Polen waren, Tschechen manchmal, oder sie waren eben Deutsche gewesen - was für ein Unterschied, wenn man im Grenzland lebt? Nur jetzt war alles anders.Buchrücken 3. Auflage 2004:
Neuhof/Oberschlesien im Sommer 1945: Alles war möglich in dieser Zeit. Die alten deutschen Gesetze galten nicht mehr, und neue polnische waren nicht vorhanden, weil Polen selbst noch nicht so recht wiedergeboren war. Dies hier war rechtloses Gebiet, ein Mensch war hier soviel wert wie ein Arschwisch.
Das machte die Stadt wie so viele andere in dieser Zeit auch zu einem Platz, an dem Verzweiflung und Raffgier, Rache und Trauer, Lebensangst und Selbstbetrug sich zu einer Mischung verbanden, in der menschliche Annäherung nahezu unmöglich war.Klappentext 1. Auflage 1993:
Dies ist die phantastisch anmutende und doch bitterreale Geschichte von drei jungen Burschen und einem Mädchen, die aus dem großen Krieg über Kammwege und durch Wälder in ihre Heimat Oberschlesien zurückkehren, mit all den Zukunftsträumen, die junge Leute nach Blut und Tod haben. Empfangen werden sie von trunkenen Siegern, prügelnder polnischer Miliz, mißbrauchten Frauen und galizischen Flüchtlingen, deren Land Stalin genommen und denen er dieses geschenkt hat.
Der schnapsbrennende Oswald Hirschke und Jakob Latta, der seine große Liebe sucht, sind unvergeßliche Charaktere des Buches, ebenso wie Kuli Schliebitz oder das Zigeunermädchen Alina, das er aus dem Minenfeld lotst. Da lebt in dem Ghetto, in das die Deutschen in ihrer Heimatstadt gesperrt werden, der Lehrer Karwath, bis ein Psychopath ihn umbringt. Anton Walentek, zweisprachig wie so viele in dieser Gegend, einst deutscher Fallschirmjäger mit Volksliste, steht jetzt Wache an der polnischen Kommandantur. Irene Kostka, die >Blücher-Wirtin<, hat lieber einen einzelnen Russen auf der Matratze als eine halbe Kompanie. Susi Hanig, die Jugendfreundin, kommt auf verschlungenen Wegen aus Sibirien zurück. Inzwischen fahren die Jungen jeden Morgen die Ghettototen der Nacht auf einem Handwagen zum Begräbnisplatz, wo ein verzweifelnder Pfarrer sie segnet und einscharrt, bis eine der üblichen Razzien der Geschichte die endgültige Wendung gibt...
Sommer der toten Träume: Sommer 1945. Ein Buch, geprägt von zuweilen quälender Spannung.
Zu erfinden brauchte der Autor, der viele auflagenstarke Romane schuf, kaum etwas: Er hat dort gelebt, wo die Handlung abläuft, zur selben Zeit, unter genau den geschilderten Umständen, in seiner Heimatstadt am Rande des Altvatergebirges. Entstanden ist ein ehrlicher Geschichts- und Geschichtenroman um die Spannungen zwischen Siegern und Verlierern, um die Suche einer mißbrauchten Generation nach Halt und Heimat, um den Kampf verschiedener Gruppen in gesetzlosem Raum.Klappentext 3. Auflage 2004:
Kriegsende 1945; die jungen Soldaten Oswald Hirschke und Jakob Latta sind nach dem Zusammenbruch Deutschlands auf dem Weg nach Hause, in ihre Heimatstadt Neuhof in Oberschlesien. Unterwegs gabeln sie eine merkwürdige "Nonne" auf, Kurt Schliebitz, ebenfalls Oberschlesier und auch auf dem langen Heimmarsch, und das Zigeunermädchen Alina, noch ohne endgültiges Ziel, gerade der Hölle von Auschwitz entronnen.
Die vier freunden sich an, das gemeinsame Leid verwischt alle sozialen Grenzen. In Neuhof angekommen, müssen die neuen Freunde bald feststellen, daß sie Fremde im eigenen Land geworden sind. In der Stadt stehen russische Truppen, täglich treffen Umsiedler aus Galizien ein, aus ihrer Heimat von Stalin vertrieben, polnische Milizionäre machen derweil Jagd auf die Deutschen, lassen sie spüren, wer die neuen Herren im Lande sind.
Die Träume, die jeder der vier für die Zeit nach dem Krieg, für den ersten Friedenssommer hegte, sie versinken bald im Alltag der Demütigungen und der Gewalt, des Hungers und der Krankheiten, schließlich der Ghettoisierung und des Sterbens.
In all dem Elend blitzt dennoch der Glaube an eine Zukunft auf, in der die Menschen friedlich und tolerant miteinander leben. Da sind die Liebe zwischen dem Deutschen Kurt und der Zigeunerin Alina, der polnische Soldat Janusz Globczyk, der versucht, menschlich mit den besiegten Deutschen zu verkehren, der russische Offizier Victor, der sich für den inhaftierten Juden Alfons einsetzt, oder der Lehrer Karwath, der die Jungen im Ghetto Geschichte lehrt wie sie wirklich war, fern von revanchistischen Unwahrheiten, denn: "Es ist wie immer in der Geschichte, die Rechnung der Politiker wird vom Volk bezahlt."
Harry Thürk hat als 18jähriger gleiche und ähnliche Schicksale wie die geschilderten unmittelbar erlebt. Sein Roman ist somit auch eine persönliche Rückschau. Dies geschieht nicht im Zorn, sondern eher mit Wehmut und mit zuweilen quälender Genauigkeit in der Darstellung des Schreckens von Krieg und Nachkriegszeit, aber vor allem mit viel Sympathie für seine Helden.
"Sommer der toten Träume" ist ein wichtiges Dokument für eine Zeit, die von unzähligen Hoffnungen geprägt war, und ebenso vielen Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten, die viele dieser Höffnungen wieder zerstörten. Am Ende steht die Erkenntnis, daß sich die Geschichte zwar nicht ungeschehen machen läßt, daß aber die Verantwortung besteht, eine Wiederholung zu verhindern. In seiner alten Vaterstadt in Polen erschien Harry Thürks Roman inzwischen als Übersetzung in einer örtlichen Zeitung, auch das ist ein Zeichen für ein neues Miteinander im heutigen Europa.
Leserstimmen
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"Für Interessenten der Zeit um 1945 ein sehr realistisch erscheinender Roman der nichts beschönigen will und sachlich dokumentiert.", anonymer Leser (Bayern) bei bol.de, 28.11.2002
Kapitelübersicht
Die Wälder leben
In den Bergwäldern Oberschlesiens, Ende Mai 1945. Oswald Hirschke und Jakob Latta ziehen aus dem verlorenen Krieg nach Hause, Neuhof in Oberschlesien. Seit Wochen sind sie unterwegs, menschliche Siedlungen möglichst vermeidend, um nicht doch noch in die Hände der Sieger zu fallen. Nur selten sehen sie andere Menschen, in Siedlungen trauen sie sich nur, wenn der Hunger ihnen keine andere Wahl lässt.
Eines Morgens jedoch erspähen sie auf einer Lichtung eine merkwürdige Nonne, die sich als verkleideter Mann herausstellt. Das ist Kurt Schliebitz, der wie Hirschke und Latta auf der Flucht ist. Er allerdings war bereits in seiner Heimatstadt. Seine Eltern sind verschleppt worden, ihre Pension zusammengeschossen. Nun streift Schliebitz ziellos durch die Wälder. Das Angebot, sich den beiden anderen anzuschließen, nimmt er gern an. Er erzählt den beiden von einem deutschen Flüchtlingslager im Wald, in dem er vor einigen Tagen gewesen war. Dort gebe es ein Stück Zivilisation, das einige Dörfler noch vor Ende des Krieges in Sicherheit gebracht hätten. Von der Aussicht auf Nahrung getrieben, lassen sich Hirschke und Latta dorthin führen.
Sie erreichen das Lager, in dem ein paar Dutzend Dörfler nach dem Krieg aushält - "die Stellung hält", denn auch das volksdeutsche Bewusstsein hat sich in dem Lager erhalten. Man wartet nur darauf, dass die Amerikaner die Sowjets vertreiben, um anschließend das deutsche Land wieder in Besitz zu nehmen. Notfalls mit Waffengewalt, denn auch die hat man in das Lager gerettet. So entscheiden sich Hirschke und Latta, nur eine Nacht dort zu verbringen. Die Frau Gusti des Lagerobersten nutzt die Gelegenheit und schleicht sich nachts in den Bunker, in den sie die drei jungen Männer einquartiert hatte. Am nächsten Tag, erfrischt durch die Liebeserlebnisse der letzten Nacht, brechen die Jungen wieder auf, von Gusti mit Lebensmitteln reichlich versorgt.
Eine Woche später erreichen sie den Altvater im Sudetenland. Hier beginnt die Heimat der Jungen, von Neuhof trennen sie nur noch wenige Tage. An Freiwaldau vorbei kommen sie endlich am Waldbad Freigrund an, in der Nähe Neuhofs, wo die Jungen einst viele schöne Sommer verbracht hatten. Das Freibad ist verwüstet, nichts erinnert mehr an die idyllische Szenerie ihrer Jugend. Die Jungen verbringen eine Nacht in den Ruinen des Waldbadcafés, bevor sie am nächsten Morgen die letzten Kilometer ihrer langen Heimreise antreten. Sie überqueren die alten, längst verwaisten Bahngleise, und sehen sich plötzlich einem Minenfeld gegenüber. Vorsichtig ziehen sie sich wieder zurück, als sie plötzlich ein Mädchen im Minenfeld erblicken. Schliebitz warnt und rettet sie, sich vorsichtig durch das Minenfeld hindurchtastend. Das Mädchen, die aus Auschwitz entkommene Zigeunerin Alina, ist anfangs ängstlich, merkt jedoch bald, dass sie von den Jungen nichts zu befürchten hat.
Gemeinsam betreten sie Neuhof. In der zertrümmerten Stadt hat sich vieles verändert, polnische Miliz bestreift die Straßen. Die vier beschließen, sich am nächsten Morgen in der Meldestelle am Wallgraben anzumelden.Tote Stadt
Als Hirschke am nächsten Morgen aufwacht, steht ein russischer Soldat vor ihm, der sich als Pascha vorstellt. Er macht Hirschke verständlich, dass dieser ihm helfen solle, deutsche Patronen zu sammeln, die zu je hundert Stück gegen eine Flasche Wodka eingetauscht würden. Er überreicht Hirschke einige Lebensmittel, und kündigt seine Rückkehr für den nächsten Morgen an. Schliebitz und Alina hatten unterdessen Arbeit in einer russischen Wäscherei in der Nähe des Bahnhofs gefunden, Latta war nach Neisse marschiert und hatte erfahren, dass seine Angebetete Hanna nach Westdeutschland evakuiert worden war.
Als sie am darauffolgenden Tag gemeinsam zur Meldestelle gehen, treffen sie ihren Freund Anton, der - während des Kriegs übergelaufen - nun auf polnischer Seite Wache schiebt. Er hilft ihnen, die Arbeitskolonne zu vermeiden, und stattdessen ordentliche Meldepapiere zu erhalten.
Auf dem Rückweg trifft Hirschke seinen deportierten Freund Alfons Brinsa, der gerade zurückgekehrt ist. Von ihm erfährt er vom Schicksal seiner Verlobten Sibylle, das er zuvor nicht in Erfahrung bringen konnte. Noch am selben Abend erhält er Besuch von Pascha, der ihn im Keller eine Destille anlegen lässt, und ihn fortan mit Gemüseabfällen versorgt. Doch schon einige Tage später werden drei Polen auf die Destille aufmerksam. Sie machen Pascha sein Vorrecht streitig, woraufhin dieser von Hirschke verlangt, die Destille mit Waffengewalt zu verteidigen. Aus Vorsicht und dem Wissen, zwischen die Fronten geraten zu sein, fliehen alle vier Freunde aus dem Wohnblock, in dem sie gehaust hatten, und lassen sich von Antek eine neue Bleibe organisieren. Antek besorgt ihnen eine kleine Wohnung in der Fischerstraße 18. Auf Nachfrage gibt er zu, dieses Quartier nicht ohne Hintergedanken gewählt zu haben. Denn es gebe bereits geheime Pläne, die Fischerstraße und die dazu parallele Töpfergasse in ein Ghetto für die Deutschen umzuwandeln. Wer da schon vorher eine Wohnung habe, sei im Vorteil. Die Freunde sind schockiert über diesen Plan, fügen sich aber schließlich in ihr Schicksal. Für eine Flucht, da sind sie sich einig, ist es noch zu früh. Man wolle erst versuchen, sich als Deutsche im jetzigen Polen zu behaupten.
Die Umsiedlung der von Stalin aus Galizien vertriebenen Polen hat begonnen, und langsam ziehen die polnischen Siedler in Neuhof ein. Viele haben noch Angst vor den Deutschen, aber nicht wenige befolgen die offiziellen Parolen, das polnische Mutterland wieder in Besitz zu nehmen, die Deutschen zu vertreiben und bestenfalls für Arbeiten einzuspannen.
Antek führt die vier Freunde in ihre neue Wohnung in der Fischerstraße ein, wo sie sich die Wohnküche mit Irene Kostka und deren Liebhaber Victor teilen. Am Abend finden Alina und Schliebitz, die während der letzten Wochen große Sympathie füreinander entwickelt hatten, endgültig zusammen.
Am nächsten Tag werden Hirschke und Latta auf dem Weg zu Antek, der ihnen Arbeit in Aussicht gestellt hatte, von der polnischen Miliz aufgegriffen und rekrutiert, um zusammen mit anderen Zwangsarbeitern ein deutsches Denkmal zu zertrümmern, an dessen Stelle künftig ein russiches stehen soll.
Als sie schließlich am Nachmittag von dort wegkommen und ihren Weg zu Antek fortsetzen, müssen sie mit ansehen, wie der alte Grabebitter Kutzner mit dem Glasauge von zwei polnischen Jugendlichen, die es auf sein Jackett abgesehen hatten, totgeprügelt wird. Die herbeigerufenen Milizionäre lassen sie aus Solidarität entkommen, erlauben aber Hirschke und Latta, den alten Kutzner zum Friedhof zu bringen.
Dort treffen sie den alten Pfarrer Weinkopf wieder, der alleine in der ausgebrannten Kirche ausharrt und die Toten, die man ihm bringt, in Behelfssärgen beerdigt. Als sie endlich zu Antek kommen, hat dieser schon dem Wodka zugesprochen, und so verbringen die beiden bei ihm die Nacht.
Am nächsten Morgen führt Walentek sie zu ihren neuen Arbeitsplätzen. Hirschke wird als Hausmeister in einer Villa angestellt, in der ein Starost die Einrichtung des neuen Landsratsamtes überwacht. Latta soll der Polin Pani Borsutzki dabei helfen, die geplünderte und verwüstete Sparkasse der Stadt neu einzurichten.
Unterdessen leiht der Chef der russischen Wäscherei Schliebitz an einen russischen Soldaten aus, der ihn in der Kaserne Särge anstreichen lässt. Im Gegenzug erhält Schliebitz Verpflegung, die er abends mit seinen Freunden teilt. Auch Brinsa hat inzwischen Arbeit gefunden. Auf dem Hof des ehemaligen Klosters der Barmherzigen Brüder montiert er Traktoren. Hirschke trifft ihn auf dem Heimweg, bevor er abends wieder in der Fischerstraße ist. Als es dunkel wird, kommt auch Victor noch hinzu. Er berichtet, die Gegend sei inzwischen abgesperrt, man lasse keinen Menschen mehr herein oder hinaus. Das Ghetto ist errichtet.Ghetto
Die zwei Straßenzüge, die das Ghetto für die Deutschen bilden, sind überfüllt. Auch in die beiden Zimmer von Latta, Hirschke, Schliebitz und Alina wurden weitere Deutsche einquartiert, vornehmlich ältere Frauen. So verbringen Latta und Hirschke ihre Tage zumeist außerhalb des Zimmers, gemeinsam mit Lehrer Karwath und dem Kriegsversehrten Karlchen am Fluss.
Normalerweise sind auch Schliebitz und Alina bei ihnen, aber heute sind sie nach Leuben gefahren. Sie hatten von einem ehemaligen Verpflegungsdepot der Wehrmacht gehört und mit Anteks Hilfe eine Sondergenehmigung und einen russischen Fahrer erhalten, um dort Verpflegung für das Ghetto zu besorgen. Mit mehreren Säcken Erbsen und Bohnen kehren sie abends in die improvisierte "Volksküche" zurück, die Alina zusammen mit anderen Bewohnern des Ghettos in einer Waschküche eingerichtet hatte.
Am nächsten Morgen stirbt die alte Weberin Nitschke und Latta und Hirschke bringen sie, wie schon so viele Tote zuvor, aus dem Ghetto heraus zum Friedhof. Pani Borsutzki, bei der Latta sich unterwegs für sein Zuspätkommen entschuldigt, ist beim Anblick der Leiche schockiert, lässt Latta allerdings ziehen. So kommen die beiden zu Weinkopf, und beerdigen die Weberin mit ihm gemeinsam. Särge gibt es zu dieser Zeit nicht mehr.
Als Latta zur Bank kommt, und sich an die Reparatur der Türen macht, erhält er seinen ersten Lohn von Pani Borsutzki ausgezahlt. Hundert Złoty, die die Stadtverwaltung jedem von Polen angestellten Deutschen auszahlen lässt. Als er abends mit Hirschke ins Ghetto zurückkehrt, ist Schliebitz noch nicht zurück. Er steht auf einem Dach, wo er eben seinen ersten Arbeitstag als Schornsteinfeger verbringt, nachdem die russische Wäscherei geschlossen worden war.
Von dort beobachtet er zufällig, wie Alfons Brinsa von der Stadtmiliz traktiert und ins Gefängnis gesteckt wird - für eine Bagatellungehorsamkeit, wie man später erfährt. Schliebitz erzählt nach seiner Rückkehr ins Ghetto den anderen davon, und man wird einig, Victor um Hilfe zu bitten. Der lässt sich schließlich widerwillig überzeugen, und zieht mit zehn Flaschen Wodka los, in Richtung des Milizgefängnisses. Kurz darauf ist Brinsa frei, ohne dass er weiß, wer ihn befreit hat.
Alina spricht unterdessen beim polnischen Stadtkommandanten vor, um einige Erleichterungen - und Brot! - für die Bewohner des Ghettos zu erbitten. Der Stadtkommandant lehnt ihr Ansinnen anfangs strikt ab, aber es gelingt ihr, den Polen gegen den russischen Militärobersten auszuspielen und nach wodkagetränkten Verhandlungen bekommt sie die Zusage für mehrere Säcke Mehl, die am anderen Tag auch eintreffen. Auch einige Bäcker finden sich unter den Ghettobewohnern, so dass die Suppenküche nun regelmäßig auch kleinere Portionen Brot ausreichen kann.
Als Latta am nächsten Tag zu Pani Borsutzki arbeiten gehen will, findet er die Bank verschlossen vor. Er bahnt sich einen Weg ins Büro von Pani, und findet sie fiebrig und dem Tode nahe in ihrem Bett. In seiner Verzweiflung sucht er Hilfe bei Hirschkes Arbeitgeber, dem Starosten. Der stellt sich stur, lässt sich aber letztlich doch überzeugen, einen Transport ins Armeelazarett für die Polin zu organisieren. Latta arbeitet nun allein in der Bank, und kehrt abends wieder ins Ghetto zurück. Auf dem Weg treffen er und Hirschke wieder einmal Brinsa, der nun erfährt, dass seine beiden Freunde die Befreiungsaktion veranlasst hatten. Sie reden über die Zukunft des Ghettos, da Gerüchte kursieren, die Polen würden Alte und Arbeitsunfähige nach Deutschland aussiedeln. Nur Arbeitsfähige müssten bleiben, dürften aber die polnische Staatsbürgerschaft annehmen. Das aber lehnen die Freunde, die auch mit Antek schon darüber geredet hatten, strikt ab. Stattdessen überlegen sie wieder einmal, ob man nicht Neuhof auf dem selben Weg verlassen solle wie man es betrat - und abermals verschieben sie die Entscheidung noch eine Weile.
Den älteren Ghettobewohnern geht es trotz der besseren Verpflegung immer schlechter. Viele erkranken an der Ruhr und sterben. Wegen der Seuchengefahr hatten die Stadtobrigkeiten dem Pfarrer Weinkopf aufgetragen, eine Liste der Alten zu erstellen, deren Gesundheitszustand eine Übersiedlung nach Deutschland ratsam mache. Einzelgräber können wegen der Vielzahl Toter jeden Tag schon nicht mehr angelegt werden, und so fügt sich der Pfarrer. Alina hilft ihm bei der Erstellung der Liste. Karlchen, dessen Beinstumpf sich schlimm entzündet hat, ist einer der ersten, die mit der Bahn nach Deutschland ausgefahren werden. Zur gleichen Zeit beginnt Weinkopf, im Ghetto Sonntagsmessen abzuhalten. Er hofft, den Bewohnern des Ghettos, die er nun erst kennenlernt, da er bislang außerhalb des Ghettos in seiner Kapelle neben dem Friedhof gewohnt hatte, ihr Leben damit etwas erträglicher zu machen.Das alte Lied
Eines Abends taucht ein polnischer Herr im Ghetto der Deutschen auf. Äußerlich wirkt er wie ein würdevoller Geistlicher, doch dieser Eindruck täuscht. Denn nach Einbruch der Nacht geht er in eines der Häuser im Ghetto, verscheucht dessen Bewohner mit harschen Worten und behält nur einen älteren Deutschen zurück. Der Handwerker Wuttke erwartet eine Strafexamination, es kommt jedoch viel schlimmer. Der Pole fängt an, ihn durchzuprügeln - was ihm sichtlich Lust bereitet - und steigert sich endlich zum sexuellen Höhepunkt, als Wuttke tot liegen bleibt. Er verlässt das Ghetto genauso unauffällig, wie er gekommen war.
Als Hirschke und Latta am nächsten Morgen die grauenhaft verstümmelte Leiche des alten Wuttke zu Pfarrer Weinkopf auf den Friedhof bringen, wird Hirschke von einem bewaffneten Polen abgefangen, der ihn zum Arbeitseinsatz nötigt. Hirschke muss die deutschen Beschriftungen von den Grabsteinen meißeln. Latta hat dies beobachtet und berichtet dem Starosten davon. Der ist gar nicht begeistert, dass ein Pole, der für das eigenhändige Entfernen der Lettern bezahlt wird, seinen Angestellten missbraucht. Er befreit Hirschke aus der Situation und weist den Polen zurecht. Hirschke konnte an diesem Morgen immerhin die Lettern vom Grab seiner Eltern retten, die er zuvor eigenhändig wegmeißeln musste. Er bewahrt sie später sorgfältig auf.
Am nächsten Morgen wird Latta von einem Milizionär zum Arbeitseinsatz abgefangen. Er besteigt einen Laster, in dem schon zahlreiche andere Deutsche sitzen, und wird in den mehrere Kilometer entfernten Bischofsgrund gefahren. Auf der Fahrt trifft er den früheren HJ-Bannführer Kasok wieder, den er bereits vor einiger Zeit in der Stadt wiedergesehen hatte. In Bischofsgrund angekommen, müssen die Deutschen den ehemaligen Gasthof, der den Bischofsgrund einst zu einer beliebten Sommerfrische gemacht hatte, wiederherrichten. Nach einer Nacht in einem der dazugehörigen Stallgebäude werden sie zur Reparatur des die Bahnstrecke tragenden Viadukts hoch über dem Bischofsgrund herangezogen. Oben angekommen, wird Latta von einem hünenhaften russischen Soldaten um Hilfe gebeten. Der polnischstämmige Globczyk braucht Latta zur Verschraubung der durch einen gescheiterten Sprengversuch beschädigten Streben. Die beiden arbeiten gemeinsam und sind sich aufgrund ihrer ähnlichen Vergangenheit als Soldaten sympathisch. Die Arbeiten am Seil in schwindelnder Höhe gehen langsam voran. Als Globczyk am nächsten Tag nachmittags die Müdigkeit übermannt, passiert das Unglück. Er schlägt mit dem Kopf an einen Stahlträger und wird bewusstlos. Latta gelingt es nach langem Mühen mit der Hilfe von Kasok, den er am selben Morgen mit einer Ohrfeige in die Schranken gewiesen hatte, Globczyk auf die Brücke hochzuseilen, und ihm so das Leben zu retten. Globczyk kommt ins Lazarett, und die Deutschen fahren nach Abschluss der Reparaturarbeiten am nächsten Nachmittag wieder zurück nach Neuhof.
Unterdessen treffen Hirschke und Schliebitz in Neuhof eine alte Jugendfreundin Hirschkes wieder, die in russischer Militäruniform vom Arbeitsdienst in Charkow geflohen ist und weiter nach Deutschland will. Susi Hanig, die früher in Alfons Brinsa verliebt war, hatte dessen Deportation noch erlebt. Als sie nun von Hirschke hört, dass auch Brinsa den Krieg überlebt hat, lässt sie sich am nächsten Morgen von Hirscke zu dessen Traktorenstation im Kloster führen. Die beiden Verliebten treffen sich wie zu Jugendzeiten wieder und verbringen die Nacht zusammen. Sie beschließen, Neuhof zusammen mit Susis Retter, dem russischen Major Konstantin, mit dem Susi am folgenden Tag am Neuhofer Ring verabredet ist, zu verlassen und nach Deutschland, zu einer Freundin in Bayern, zu fliehen. Als Konstantin an keinem der folgenden Tage erscheint, verlassen sie Neuhof schließlich ohne ihn.
Latta war an dem Tag zurückgekommen, an dem Susi ins Ghetto kam. Am darauffolgenden Samstag war sie mit Brinsa geflohen, nun war Montag und es war wieder Zeit, die Toten zum Friedhof zu bringen. Einer der Toten - es ist Kasok - hat dieselben auffälligen Verletzungen wie der alte Wuttke einige Tage zuvor. Kasoks Mitbewohner bestätigen, den geheimnisvollen Polen am Vorabend gesehen zu haben und von ihm - ebenso wie bei Wuttkes Tod - aus dem Haus gejagt worden zu sein. Als Latta zusammen mit Hirschke Antek um Rat fragt, lädt dieser die beiden kurzerhand zu sich nach Hause ein. Wie es der Zufall will, arbeitet just um diese Zeit Schliebitz auf dem Dach eines der Nachbarhäuser. Die polnische Bewohnerin dieses Hauses erkennt Jako und Ossi aus der Ferne und ruft sie heran. Es stellt sich heraus, dass Latta und Hirschke mit der Polin namens Marlena noch aus ihrer Zeit bei der Bahn befreundet sind, und so lädt Marlena sie auf ein Essen ein. Auch Schliebitz und Antek stoßen dazu, und so feiern die fünf ein weiteres Wiedersehen.Satans linke Hand
Marlena Chrobok, die ihre Eltern noch in den ersten Kriegstagen verloren hatte, hatte kurz darauf in Neuhof als Putzfrau im Bahnhof angefangen, und dort Hirschke und Latta kennengelernt. Obwohl sie damals das "P" zum Zeichen ihrer Nationalität trug, und der private Verkehr mit "P"-Leuten untersagt war, hatten sich die beiden mit ihr angefreundet. Hirschke begann mit ihr eine "heftige Bettgeschichte", bevor er sich in Sibylle verliebte. Auch nach ihrem Wiedersehen haben die beiden eine kurze Affäre, aber Hirschke, der seit der Flucht Brinsas immer ernsthafter mit dem Gedanken spielt, zu fliehen, da er seine deutsche Staatsbürgerschaft auf keinen Fall aufgeben will, erklärt Marlena, dass eine Beziehung zwischen den beiden keine Zukunft hätte. Zurück im Ghetto bespricht er den Fluchtplan mit den anderen und man wird sich einig, dass man die Heimat aufgeben muss.
In der nächsten Nacht taucht der seltsame Priester wieder auf. Als die Jungen mitten in der Nacht dumpfe Schreie vernehmen, eilen sie ins Nachbarhaus. Der polnische Lustmörder hat eben sein drittes Opfer gefunden, und als Latta, Hirschke und Schliebitz ins Zimmer eilen, sehen sie Lehrer Karwath tot am Boden. In Notwehr tötet Latta den Polen. Nun sind die Freunde ernsthaft in Gefahr. Sie beschließen, am übernächsten Tag die Stadt zu verlassen.
Am nächsten Tag wird Schliebitz auf dem Weg zur Arbeit von Milizionären aufgegriffen. Er muss dabei helfen, einen Flügel aus dem Ratsherrensaal des Rathauses herauszubugsieren und auf einen Laster zu verladen. Gerade ist er damit fertig, als ein Kommando der Miliz ihn erneut aufgreift und mit einigen anderen Deutschen zum Bahnhof treibt. Schliebitz kann einem Holländer, der zufällig gerade da ist und vom Kommando wegen seiner Nationalität unbehelligt bleibt, eine Nachricht für seine Freunde mitgeben, die dieser kurz darauf ausrichtet. So erfahren die Freunde, als sie Antek um Rat fragen, dass Schliebitz nach Lamsdorf, in ein polnisches "Lager für gefährliche Nazis" deportiert wurde. Von dort ist noch niemand lebend zurückgekehrt, Eile ist deshalb oberstes Gebot. Antek verspricht Hilfe und trifft die Freunde am nächsten Nachmittag außerhalb Neuhofs. Er hat sich einen Jeep "geliehen" und fährt mit Latta, Hirschke und Alina nach Lamsdort, um Schliebitz zu befreien. Der hatte nach einiger Prügel von den rücksichtlosen Wachen des Lagers eine sehr unbequeme Nacht verlebt und ist nun auf Arbeitseinsatz in dem zum ehemals deutschen Kriegsgefangenenlager Lamsdorf gehörigen Lager der englischen Kriegsgefangenen. Als die Hitze die Arbeit fast unmöglich macht, und Schliebitz den Durst nicht mehr aushält, rennt er zu einem nahegelegenen Bach, und trinkt dessen Wasser. Einer der Posten reagiert schließlich auf den "Fluchtversuch" und schießt Schliebitz ohne Vorwarnung in den Rücken. Er wird ins Lager zurücktransportiert, erhält aber keine medizinische Behandlung. Nur seine Lagergefährten kümmern sich abends um ihn und legen einen improvisierten Verband an.
Später am selben Abend erreichen auch Antek und seine Freunde endlich das Lager, nachdem sie sich verfahren hatten. Antek gelingt es, den Lagerleiter Fuhrmann unter Vorlage gefälschter Papiere nach einigen Wodka zur Herausgabe des Häftlings Schliebitz zu bewegen. Antek, wie auch die anderen im Jeep, ist schockiert, als er von Schliebitz' Verletzung erfährt und ihn kurz darauf schon fast tot sieht. Er lässt sich beschreiben, wo der nächste Arzt zu finden sei, und fährt mit Schliebitz gleich in die beschriebene Ortschaft Goldmoor. Der Doktor ist jedoch zu dieser Zeit in Oppeln, und sie treffen nur dessen Krankenschwester an. Einen operativen Eingriff kann sie nicht vornehmen, aber sie spritzt Schliebitz ein schmerzstillendes Mittel. Sie warnt die Freunde, dass er nur noch wenige Stunden zu leben hat. Dennoch bleibt ihnen keine andere Möglichkeit, als zu versuchen, die deutsche Grenze zu überqueren, und auf der anderen Seite einen Arzt zu finden. Sie fahren die Nacht hindurch. Als Latta um Mitternacht herum Antek vom Steuer ablöst, erkennt er, dass Schliebitz in Alinas Schoß schon gestorben war. Sie finden im Morgengrauen eine bewaldete Anhöhe, auf der sie ihren Freund beerdigen, bevor sie den Rest der Strecke zur deutschen Grenze bewältigen. Dort verlassen sie Antek, der sich entschieden hat, in Polen zu bleiben, und setzen ihren Weg zu Fuß durch den Wald fort. Antek, bei dem sich Alina noch bedankt hatte, bevor sie mit den beiden Jungen entschwunden war, blickt ihnen hinterher und drückt schließlich den Anlasser...
Hintergrundwissen
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Mit "Sommer der toten Träume" erfüllte sich Thürk einen Lebenswunsch. Fast dreißig Jahre lang hatte er dieses Buch geplant (schon 1965 erwähnte er die Idee), doch erst die Wiedervereinigung ermöglichte ihm, sein lange gehegtes Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Kurz nach Erscheinen des Romans, im Jahre 1994, erhielt Thürk vom Landesverband Thüringen des Bundesverbands der Vertriebenen dessen damals mit 3.000 DM dotierten Kunstpreis.
In diesem Jahr wurde der Preis zum ersten Mal überhaupt verliehen, Thürk war damit der erste, der ihn in der Kategorie Literatur entgegennehmen durfte. (Ein weiterer Preis ging in jenem Jahr an Wolfgang Mettke, allerdings in der Kategorie bildende Kunst/Malerei.)Im Jahr 2003 entschloss sich das Neustädter Wochenblatt (Tygodnik Prudnicki, kurz TP), eine polnische Übersetzung des Romanes in Fortsetzungen zu veröffentlichen. Dies regte eine literarische Kontroverse an, in deren Folge in der TP zahlreiche Artikel über "Lato Umarłych Snów" (so der polnische Titel des Werkes) erschienen. Eine Auswahl davon wurde im HTF veröffentlicht.
Ausgaben
Gesamtherstellung: Offizin Andersen Nexö Leipzig GmbH
Schutzumschlaggestaltung: Peter Hartmann
Schutzumschlagfoto: Sebastian Kaps
1. Auflage 1993: ISBN 3-354-00808-3
2. Auflage 1994: ISBN 3-354-00808-3
Schutzumschlaggestaltung: Matthias Littmann
Schutzumschlagfoto: Kurt Fricke
3. Auflage 2004 (1.000 Exemplare)
ISBN 3-89812-241-7